Verheerende Lieferketten: Recherchen beweisen, wie die Bundesregierung und deutsche Europa-Abgeordnete das EU-Lieferkettengesetz immer weiter verwässern

Ende Januar erschien erst ein ausführlicher Beitrag von Correctiv zum Lobbyismus rund um das EU-Lieferkettengesetz und später folgte ein Beitrag im ZDF-Magazin Frontal, der am Beispiel des Rohstoffes Mica fragt, inwieweit das Lieferkettengesetz indische Kinder davor schützen könnte, unter katastrophalen Bedingungen nach dem Mineral zu graben. Parallel dazu wurde die Studie „Die Methode Copy & Paste“ zu den Lobby-Praktiken bei EU-Lieferkettengesetz“ von Misereor und dem Global Policy Forum veröffentlicht.

All diese Berichte belegen: Die Bundesregierung macht sich in Brüssel für eine Einschränkung der Haftungsregeln im EU-Lieferkettengesetz stark – offenbar auf Druck der FDP und der Industrie. Doch nicht nur die Bundesregierung, auch deutsche Abgeordnete im Europaparlament setzen sich für Abschwächungen des EU-Lieferkettengesetzes ein. Sie schreiben dabei von den großen Wirtschaftsverbänden ab – zum Teil sogar wörtlich!

Das Investigativmagazin Correctiv belegt: Die Bundesministerien für Arbeit und Soziales, für Wirtschaft und Klima, für Umwelt sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatten ursprünglich deutlich ambitioniertere Pläne für das EU-Lieferkettengesetz – bis das FDP-geführte Bundesjustizministerium intervenierte. Dabei wurden Vorschläge der anderen Ministerien abschwächt und manche sogar in ihr Gegenteil verkehrte. Mehrere Einwände des Bundesjustizministeriums lassen sich direkt auf Forderungen von Wirtschaftsverbänden zurückführen. Mit klaren Folgen: Der EU-Ratsbeschluss nimmt einige Punkte der deutschen Weisungen auf und spricht sich etwa dagegen aus, Unternehmen zur Umsetzung ihrer Klimapläne zu verpflichten. Zwar folgte er der Forderung nach einem großen Schlupfloch für Unternehmen in Form einer „Safe Harbour“-Regelung nicht – die Bundesregierung kündigte aber später in einer Protokollerklärung an, einem Gesetz ohne ein solches Haftungs-Schlupfloch nicht zuzustimmen.

Auch im Europaparlament haben die großen Wirtschaftsverbände einen regelrechten Lobbysturm gegen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz entfacht. Im federführenden Rechtsausschuss des EP legte der Schattenberichterstatter der EVP Axel Voss (CDU) am 30. November 2022 gemeinsam mit anderen Fraktionskolleg*innen Forderungen vor, die sogar hinter das ohnehin löchrige deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zurückfallen. Mit diesen Vorschlägen würde das EU-Lieferkettengesetz endgültig wirkungslos! Auch diese Forderungen haben die CDU-Abgeordneten zu weiten Teilen direkt aus Positionspapieren und Briefen von Wirtschaftsverbänden übernommen – teilweise sogar durch schlichtes Copy and Paste. Besonders eifrig haben Axel Voss und Kolleg*innen offenbar vom deutschen Verband der Chemischen Industrie (VCI) und dem Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) abgeschrieben. Und das ist nicht verwunderlich. Nach eigenen Angaben hat Voss seit Anfang 2021 mehr als acht Mal so oft mit Vertreter*innen von Unternehmen und ihren Interessensvertretungen über das geplante EU-Lieferkettengesetz diskutiert, als mit Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft.

Wir sind entsetzt über die Politik der Bundesregierung und der EVP! Vergessen scheinen die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag ein wirksames EU-Lieferkettengesetz zu unterstützen, welches auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte basiert. Vielleicht sollte das Gesetz lieber in Konzernlobbygesetz, anstatt Lieferkettengesetz, umgenannt werden? Das würde dem aktuellen Verhalten der Bundesregierung und der EVP mehr entsprechen.

Aber noch ist nichts entschieden: Am 13. März wird im EU-Parlament über den verheerenden Vorschlag von Axel Voss und seinen Kolleg*innen abgestimmt. 130 Organisationen haben einen offenen Brief an MEP Voss geschickt, um sich gegen seinen Vorschlag stark zu machen. Dieser kann gerne als Vorlage für weitere Briefe an Herrn Voss genutzt werden. Je mehr Druck wir aufbauen, desto besser. Außerdem gibt es hier Bilder für Social Media, die die Forderungen der MEP in Frage stellen. Gerne posten und verteilen!

Appell zur Vergaberechtsreform

Die öffentliche Hand in Deutschland gibt pro Jahr schätzungsweise ca. 500 Mrd. Euro für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen aus (OECD 2019).Zivilgesellschaftliche Organisationen setzen

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