Wie die Berichte in der LVZ und Freien Presse diese Woche zeigen, reißt die Debatte um das neue Vergabegesetz nicht ab. Da dieses Gesetz Ausschreibungen von mehreren Milliarden Euro jährlich – und damit einen relevanten Bestandteil der sächsischen Wirtschaft – regelt, begrüßen wir die anhaltende öffentliche Debatte. Doch leider ist die Diskussion weiter von Panikmache geprägt. So wird vor einem neuen „Bürokratiemonster“ gewarnt, welches das sächsische Unternehmertum gängelt, sobald der Freistaat es wagt bei seinem Einkauf Umweltaspekte oder soziale Kriterien, wie Tariflöhne, flächendeckend zu fordern.
Dabei wird verschwiegen, dass viele Aspekte rund um eine soziale und ökologische Vergabe in anderen Bundesländern seit Jahren erfolgreich umgesetzt werden. So zeigt ein Vergleich der 16 Landesvergabegesetze, dass Sachsen trauriges Schlusslicht bei der gesetzlichen Verankerung sozialer oder umweltbezogener Aspekte im Vergaberecht ist. Während in allen anderen Bundesländern Regelungen zu Nachhaltigkeitskriterien in den Landesvergabegesetzen bzw. den Vergabeordnungen in der einen oder anderen Form verankert sind, weigert sich der Freistaat bisher solche Aspekte bei seinem Einkauf stärker zu berücksichtigen. So bleiben die sächsischen Nachhaltigkeitsstrategie als auch das Energie- und Klimaprogramm Sachsen 2021, welche eine nachhaltige Vergabe als Ziel benennen, weiterhin nur Lippenbekenntnisse.
Selbst der Bundesrechnungshof empfiehlt in seinem Bericht über die Prüfung der Nachhaltigen Vergabe in der Bundesverwaltung, Nachhaltigkeitskriterien verpflichtend zu verankern. Ohne klare gesetzliche Regelungen bleibt es der Eigeninitiative der für die Beschaffung zuständigen Personen überlassen, ob und wie sie Nachhaltigkeitsaspekte in den Beschaffungsprozess einbringen. Dies führt dann tatsächlich zu teuren Insellösungen. Denn neben einem erhöhtem Personalaufwand, wenn jede der 422 Städte und Gemeinden sich selbst mühsam erarbeitet, welche ökologischen und sozialen Kriterien sie bei ihrem Einkauf berücksichtigen können, führte es auch zu unterschiedlichen Ansprüchen für die Bieter. So kann es passieren, dass Unternehmen für eine Ausschreibung in Pirna andere Nachweise einreichen müssen, als für eine Ausschreibung im 30 Kilometer entfernten Dippoldiswalde. Klare gesetzliche Vorgaben vereinfachen also nicht nur die Arbeit der Vergabestellen, sie tragen auch zu einer erhöhten Bieterfreundlichkeit durch mehr Einheitlichkeit bei.
Zusätzlich kann eine nachhaltige Vergabe den Wirtschaftsstandort Sachsen stärken und zukunftsfähige Arbeitsplätze fördern. Knapp jeder sechste abhängig Beschäftigte im Freistaat arbeitet im Niedriglohnsektor. Um der weiteren Abwanderung von Fachkräften entgegenzuwirken und ein auskömmliches Leben für alle Sächsinnen und Sachsen zu ermöglichen, ist die Berücksichtigung von Tarifverträgen oder vergabespezifischen Mindestlöhnen notwendig. Außerdem bleibt es fragwürdig, warum mit unseren Steuergeldern niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen finanziert werden sollen.
Die reine Fixierung auf das günstigste Angebot schreckt zudem viele Bieter ab sich an Vergabeverfahren zu beteiligen. So stellt beispielsweise der Branchenverband Bitkom fest, dass es für Unternehmen teilweise unmöglich sei, mit seriös kalkulierten auskömmlichen Angeboten im Vergabewettbewerb zu bestehen. Durch die starke Fixierung auf den günstigsten Preis erhalten extrem risikoaffine Angebote den Zuschlag, was mitunter zu zeitaufwendigen und teuren Nachträgen für die Vergabestellen führt. Zudem wird darauf hingewiesen, dass kleine und mittelständische Unternehmen in diesem Falle besonders benachteiligt sind, weil sie in der Regel weniger finanzielle Spielräume haben als Großunternehmen.
Ja, mangelnde Angebote bei Vergabeverfahren sind in Sachsen ein Problem. Doch dieses Argument als Feigenblatt gegen die dringend nötige Neuausrichtung des staatlichen Einkaufs zu nutzen ist fatal. Neben den bereits erwähnten Aspekten stehen einfach umzusetzende Maßnahmen, wie die Einrichtung einer kostenlosen zentralen Plattform für alle Ausschreibungen oder längere Fristen, weiterhin aus. Wenn wir wollen, dass mehr Unternehmen Angebote einreichen, müssen wir von einem Wettbewerb über den billigsten Preis zu einem Wettbewerb über Leistung und Qualität kommen! Doch ohne klare gesetzliche Regelungen, die eine Berücksichtigung von geeigneten Nachhaltigkeitsaspekten verpflichtend vorschreiben, wird weiterhin einfach das billigste Angebot bezuschlagt.